Ein theatrales Spiel um Identitäten und Zugänge

DEUTSCHLAND PRIVAT – Lebenslage illegal (UA)

Foto: ©MEYER ORIGINALS

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Wir fünf haben früher einander auch nicht gekannt, und wenn
man will, kennen wir einander auch jetzt nicht, aber was bei uns
fünf möglich ist und geduldet wird, ist bei jenem sechsten nicht
möglich und wird nicht geduldet. Außerdem sind wir fünf und wir
wollen nicht sechs sein. (...) Wie soll man aber das alles dem
sechsten beibringen, lange Erklärungen würden schon fast eine
Aufnahme in unseren Kreis bedeuten, wir erklären lieber nichts
und nehmen ihn nicht auf.
Franz Kafka, Gemeinschaft

In Deutschland vermutet man Hunderttausende, die ohne Papiere in den Städten leben, vor allem in Großstädten wie Köln. Mitten unter uns und doch unsichtbar. Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Sie sind überall. Sie arbeiten für uns. Ohne Papiere. Ohne Schutz. Ohne Rechte. Ohne den Beweis ihrer eigenen Existenz. DEUTSCHLAND PRIVAT erzählt von ihrem täglichen Überleben in einem System, in dem sie nicht erfasst sind und dennoch bestehen. Von ihrem Kampf um Sicherheit und Freiheit. Von ihren kleinen und großen Schritten und ihren grenzüberschreitenden Utopien. Spielen Sie mit?

DEUTSCHLAND PRIVAT ist ein theatrales Spiel um Identitäten und Zugänge. Ein Spiel, das eine Parallelwelt in der eigenen Stadt eröffnet. DEUTSCHLAND PRIVAT gibt den Menschen dieser Parallel- oder Schattenwelt eine Stimme. Kunst und Politik, Realität und Poesie verdichten sich zu einer in sich geschlossenen Gesellschaft, in die das Publikum eintaucht, sich selbst erfährt, erforscht und agiert. Für die Performance wurde in der Alten Schule in Köln-Niehl auf einer Fläche von 500 qm ein komplexes System mit privaten und öffentlichen Räumen eingerichtet.  

DEUTSCHLAND PRIVAT ist nach SEEGANG INS UNGEWISSE der zweite Teil einer Trilogie zum Thema Flucht & Migration

 

Pressestimmen

"Die Geschichten, die erzählt werden, beruhen auf wahren Begebenheiten, das Konzept von Charlott Dahmen und Karin Frommhagen ist bestechend: die Theaterzuschauer eintauchen lassen in ein System, das einen Perspektivwechsel auf illegale Einwanderung ermöglicht und schlimme Schicksale nachfühlen lässt. Auch die Ausstattung von Trixy Royeck & heilandart schafft mit schlichten Mitteln, Matratzenlagern, Bildern, Schildern, den Eindruck einer eigenen, hermetischen Welt in die alte Schule zu zaubern."
Dorothea Marcus, akt.35 September '12

"Es geht um das Leben in der Illegalität, um den – auch inneren – Kampf um eine gesetzeskonforme Identität. Die Zuschauer treffen in Viertelstundenabständen ein, bekommen einen Jeton in die Hand und werden in einen Roulettesaal geführt, wo sie auf eine Zahl setzen müssen. Die Kugel rollt – und bestimmt mittelbar den Weg des einzelnen Zuschauers durch den Abend. Meiner führt zunächst in eine Art Bordellzimmer. Hier werde ich alleine zurück gelassen und soll einen Text über einen in die Zwangsprostitution gezwungenen ukrainischen Jungen vorlesen, der übrigens live auf die Toiletten übertragen wird. Der Ausgang führt durch einen engen, stickigen Raum, in dem niedergedrückte Frauen in fremden Sprachen flüstern, jammern und nähen. Ich werde auf's Amt gewiesen, da meine Formulare 'nicht in Ordnung' seien. Vor der Tür warten viele Menschen. Es geht kaum voran. Immer wieder werde ich gefragt, wer ich bin. Schließlich lege ich mir eine Identität zu: Ich bin ein aus dem Kosovo geflohener Katholik. Nicht originell, aber mir fällt nichts Besseres ein. Jede Viertelstunde erklingt ein Posaunensignal. Alle Türen öffnen sich, Menschen treten auf die Schwelle und schmettern düster 'Danke', den Jugendgottesdienstschlager vergangener Jahre. In der Amtsstube regiert Herr Kowalski. Als ich dran komme, ist er nicht drin, nur drei Beisitzer sind da und führen mit mir ein Gespräch, irgendwo zwischen Folterkammer und mündlicher Abiturprüfung von schlecht vorbereiteten Lehrern. Von draußen erklingt ein Gospelchor. Herr Kowalski kommt und ruft mich von hinten zur Ordnung. Ich habe eine schwarze Linie auf dem Boden missachtet. Die Beisitzer tauschen Blicke. Mir wird eine Duldung ausgesprochen - für zwanzig Minuten. Ich muss ein medizinisches Gutachten erstellen lassen. Die freundliche Dame, an die ich gewiesen werde, erklärt sich für nicht zuständig, bescheinigt aber trotzdem irgendetwas. Jetzt muss ich auf das Amt zurück und erlebe die Geschichte eines Diplomaten, der seine Frau misshandelt, aber aufgrund seines Status' nicht bestraft werden kann. Acht Leute sind vor mir dran. Meine Duldung ist abgelaufen. Der Blick schweift. Vieles gibt es hier auf drei Stockwerken: ein skurriles Reisebüro, ein merkwürdiges Fotostudio, ein Restaurant mit leckerem exotischem Eintopf, Menschen, die versuchen – in guter oder schlechter Absicht – mit uns Illegalen Geschäfte zu machen, einen durch das Haus marodierenden Abschiebepolizisten und ... und ... und ...
Das Besondere: Alle spielen. Nicht nur die 27 Mitwirkenden, angeführt von dem hemmungslosen Claus Reichel als Amtsleiter Kowalski, zusammengesetzt aus Schauspielern, Laien und Experten, alle Zuschauer spielen mit. Nie weiß man, mit 'wem' man es zu tun hat. Darsteller oder Passant? Zufällige Begegnung oder Spielsituation? Nach und nach findet man heraus, dass nicht alle Zuschauer zu Illegalen 'geworden' sind, sie sind auch Abschiebepolizisten oder Beisitzer des Gerichtes. Fast alle ziehen sich im Lauf der Vorstellung immer stärker auf ihre 'Rolle' zurück, ihre Funktion im Spiel, ihre angenommene Identität, um nicht zu stören und akzeptiert zu werden, um Teil zu haben an diesem funktionierenden System mit seinen undurchschaubaren Strukturen, dass uns draußen hält wie die illegalen Einwanderer, um die es eigentlich geht.
Dass das funktioniert, ohne offene Zwänge, aufgesetzten Humor oder Ausbrüche von Aggressivität, ist eine ungewöhnliche Leistung – und ein intensives Theatererlebnis der besonderen Art."
Andreas Falentin, theater: pur in NRW, 03. Juli 2012

"Man soll sich fremd fühlen in der Heimat, wird durch Ämter geführt, kann in Call-Shops mit der zurückgelassenen Familie in Nigeria oder Weißrussland telefonieren (die kommen wirklich per Skype auf den Bildschirm), sich unter der Hand Arbeit in der Altenbetreuung, in unbelüfteten Nähereien oder gleich im Bordell suchen. Im besten Falle kommt man nicht gleich dahinter, wer hier Zuschauer und wer Schauspieler ist, und enträtselt langsam die komplexen Abhängigkeiten zwischen Menschen mit und ohne Papiere. Im schlechtesten Fall fühlt man sich in eine Art interaktive Lindenstraße versetzt. (...) Gerade da, wo die Produktion ihren pädagogischen Impuls nicht verhüllt, das interaktive vom dokumentarischen Theater unterfüttert wird, hat 'Deutschland privat' seine stärksten Momente. Bei der Flüchtlingshilfe etwa wird man tatsächlich von einer Fachfrau beraten. 'Ihre Duldungsfrist ist abgelaufen', informiert sie eine Verzweifelte. 'Sie sind seit 20 Minuten illegal.'"
Christian Bos, Kölner Stadt-Anzeiger, 28. Juni 2012

"Wie fühlt es sich an, unsichtbar zu sein? In der idyllischen Alten Schule in Niehl kann man in die Welt der Menschen eintauchen, die in Deutschland ohne Papiere leben und von denen man sagt, sie seien 'illegal'. (...) So streift man durch das Treppenhaus und die kleinen Zimmer der von Kastanien umgebenen Schule, hört von Asyl und Duldung, erhält verdeckte Angebote für einen Job. Wie ein kleines Universum ist das Haus ausgestattet, mit den Angeboten einer Bank zum kontofreien Geldtransfer, einem Café, einem Internet-Point oder einer Küche, in der man Kräuter hacken kann, deren Duft dann das Haus erfüllen. Überall lernt man etwas über die Realität und die Fallen, die auf Asylsuchende lauern.
Ein Projekt, das nicht durch seine theatralen Situationen überzeugt, sondern mit Ausstattung und präzisen Details überrascht. Gründlich und mit Humor wird das Sujet entfaltet und als kleines Abenteuer für die Besucher präsentiert, ohne die aufdringliche Attitüde des Mitmachtheaters zu bemühen. Ein gesellschaftliches Thema wird nicht von außen verhandelt, sondern von innen ausgeleuchtet. Wer auf diese Weise einmal in die Welt der Heimatlosen geschlüpft ist, betrachtet sie mit anderen Augen."
Thomas Linden, Kölnische Rundschau, 26.Juni 2012

Credits

Konzept & Regie: Charlott Dahmen & Karin Frommhagen / Dramaturgie & Text: Rosi Ulrich

Spiel: Lilo Arustamova, Shehala Baig-Kawser, Sherwin Baig-Kawser, Abdel Ben Tej, Nina Chernobelska, Hatice Çiğdem, Nina Drolsbach, Marie Enganemben, Özlem Esen, Nils Gajek, Bassam Ghazi, Daniel Heyen, Ibrahim Ismail, Jennifer Kalthoff, Adrian Kohlert, Hilke Kluth, Hanna Kunas, Meike Mayer, Agnieszka Moczadło, Behshid Najafi, Claus Reichel, Maryam Röhlich, Jonas Schiffauer, Andreas Schmid, Majid Taatizadeh, Tomasso Tessitori, Aleksej Urev

Ausstattung: Trixy Royeck & heilandart / Klanginstallation: Ralph Lennartz / Produktionsleitung: Charlott Dahmen & Karin Frommhagen / Regieassistenz: Stephanie Böttcher / Graphik: Estelle Cortet & Ruth Spätling / Kommunikation: neurohr & andrä

Eine Produktion von intakt e.V.

In Kooperation mit theater-51grad.com, Freihandelszone - ensemblenetzwerk köln, dem Sommerblut Kulturfestival, Pro Asyl, dem Kölner Flüchtlingsrat, kein mensch ist illegal, agisra und heilandart 

Premiere, Juni 2012, Köln

Gefördert durch den Fonds Soziokultur, das Kulturamt der Stadt Köln, die RheinEnergie Stiftung Kultur, die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Stiftung Pro Asyl

Präsentiert als Sommerblut-Special im Rahmen des internationalen Sommerblut-Kulturfestivals

Im Rahmen von GLOBALIZE: COLOGNE 2011 - INTERNATIONAL PLATFORM FOR DANCE & THEATRE zeigt intakt e.V. in Kooperation mit theater-51grad.com die Freitags-Filmreihe Geschlossene Gesellschaft - Menschen ohne Papiere in Deutschland und anderswo im alten UFA-Filmpalast.

Die 3-teilige Filmreihe bietet Einsichten in das Leben derjenigen, die im Verborgenen unter uns leben: Menschen ohne Papiere, geflohen vor Bürgerkrieg, Gewalt und Hungerkatastrophen. Aus Angst vor Abschiebung verhalten sie sich unauffällig und arbeiten in rechtlosen Räumen wie Restaurantküchen und privaten Haushalten. Als Vorbereitung auf DEUTSCHLAND PRIVAT regen die Filme zum Gespräch mit den Theatermacherinnen Charlott Dahmen, Karin Frommhagen und Rosi Ulrich an.

Ein Blog über das Leben in der Illegalität auf deutsch, englisch, französisch, spanisch, türkisch, russisch und farsi über den gesamten Produktionszeitraum schafft begleitend eine Plattform für den öffentlichen Diskurs.